Samstag, 10. Mai 2014

{Geschichte #9} Das Mädchen und ihre zerbrochenen Schneekugeln

Es war einmal ein Mädchen, das es schaffte jede Schneekugel, die es in seine kleine Hände bekam, einzubrechen, sodass die Flüssigkeit und der Schnee heraus liefen und zum Schluss nur noch die Figuren übrig blieben, die sie im Sommer mit in den Garten nahm und im Winter in ihrem Kinderzimmer mit einem selbstgestrickten kleinen Schal zudeckte.
Als ihre Mutter sah, was sie tat, schenkte sie ihrer Tochter Puppen mit denen sie spielen sollte, damit sie die Schneekugeln nicht immer kaputt machen musste.
Doch das Mädchen rührte die Puppen nie an. Sie wollte nur noch mehr Schneekugeln.
Die Mutter sagte, sie bekäme erst wieder eine, wenn sie verstanden hätte, dass man Schneekugeln nicht zerstört, dass ihr einziger Zweck darin bestehe geschüttelt zu werden, damit der Schnee auf die Figuren fällt.
Doch das Mädchen verstand es nicht.
Niemals wieder schenkt man ihr eine Schneekugel, also begann das Mädchen sie zu stehlen. Aus dem Laden und manchmal sogar von anderen Menschen.
Es gab großen Ärger als ihre Mutter das entdeckte. „Artige Mädchen stehlen nicht, artige Mädchen machen Spielzeug nicht kaputt“, versuchte sie dem Kind klar zu machen. Doch das Mädchen wollte einfach nicht hören.

Viele Jahre vergingen und mittlerweile war das Mädchen kein Mädchen mehr, sondern eine junge Frau.
„Sag mal“, begann die Mutter. „Weißt du noch, warum du als Kind jede Schneekugel zerstört hast?“
„Natürlich weiß ich das“, sagte die junge Frau.
„Ich habe dich früher nie danach gefragt. Aber … Warum hast du das getan?“
„Würdest du nicht heraus wollen, wenn du in einer Glaskugel gefangen wärst?“
„Ja...“
„Und würdest du nicht frieren, wenn es nur schneit, obwohl da draußen Sommer ist?“
„Ich denke schon.“
„Siehst du?“
„Naja, ich bin froh, dass du das mittlerweile nicht mehr machst.“ Die Mutter lachte und ihre Tochter auch. Nur lachten sie nicht aus dem gleichen Grund.

Am Abend ging die junge Frau nach hause, nahm eine Schneekugel, zerbrach das Glas mit ihren bloßen Händen und flüsterte: „Ja, ein Glück, dass ich es nicht mehr mache.“

2 Kommentare:

  1. tolle geschichte (: nicht zu lang und nicht zu kurz, und genau gut auf den punkt gebracht. das finde ich immer am schwersten, ich finde immer kein ende, wenn ich mal schreibe... (:
    liebste grüße, lisa

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    1. Dankeschön. =)
      Ja, ein Ende zu finden ist immer schwer: Was ist das beste Ende für die Geschichte? Bin ich damit zufrieden? Sind die anderen damit zufrieden? Ist es schlau jetzt schon mit der Geschichte aufzuhören oder sollte ich noch etwas dazu schreiben?...
      Solche Fragen stelle ich mir eigentlich immer, wenn ich etwas schreibe =)

      Liebe Grüße
      Luisa

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