Als
ich aufwachte hörte ich Musik. Du hattest dein Radio angemacht. Es
war alt und hatte schlechten Empfang, sodass jedes Lied mit diesem
beruhigendem Rauschen und Knacken hinterlegt war. Es lief „Can´t
Find My Way Home“ von Blind Faith.
Eisiger
Wind blies mir ins Gesicht und durch die Haare. Du hattest das
Fenster ein Stück geöffnet.
Ich
kurbelte es ganz auf und hielt meine Hand nach draußen – So lange
bis sie weh tat.
Ich
stöhnte kurz als ich mit den Fingern die Tür leicht berührte und
der stechende Schmerz im ganzen Arm zu spüren war. Dann lachte ich.
Auch
deine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
Du
wusstest es noch, du warst genauso wie damals. Es war unser kleines
Spiel – Zu sehen, wie wir uns selbst verletzten, um zu sehen, wie
weit wir gehen konnten und dann die befriedigende Schadenfreude des
anderen zu spüren.
Wir
lebten, waren grenzenlos und dennoch waren wir immer die Stillen, die
immer im Hintergrund standen und beobachteten. Wir lebten in unseren
kleinen Welt und dann warst du verschwunden. So, als hätte es dich
nie gegeben.
So,
als würde es diesen Moment nicht geben.
„Ich
habe von dir geträumt“, sagtest du. „Ich habe eine Million mal
von dir geträumt. Was ist, wenn das wieder nur ein Traum ist?“
Es
war, als hättest du meine Gedanken gelesen.
„Dann
träume bitte weiter“, sagte ich. „Ich will wissen, wie das hier
ausgeht.“
„Okay.“
„Es
ist elf Uhr...“, sagte die Radio-Moderatorin. Wir waren schon fast
fünf Stunden gefahren. Seltsam wie schnell die Zeit mit dir verging.
Als du weg warst schien ein ganzes Leben zu vergehen, dabei waren es
nur zehn Jahre. NUR zehn Jahre.
„Wo
fahren wir hin?“, fragte ich wieder.
Du
zögertest kurz. „Nach hause, ich habe es dir doch versprochen.
Weißt du noch?“
Einen
Moment lang konnte ich nichts sagen. Ich wusste nicht, welche Worte
meine Gefühle in dieser Sekunde beschreiben konnten. Also antwortete
ich einfach nur mit: „Ja.“ Ja, natürlich erinnerte ich mich.
Ich
war sechs oder sieben Jahre alt. Ich hatte gerade meinen Wunschzettel
an den Weihnachtsmann in meiner unordentlichen Kinderschrift zu Ende
geschrieben. Ich wollte von meiner Mutter wissen, ob der Brief gut
ist und ob sich der Weihnachtsmann darüber freuen würde.
Sie
las gerade ein Mode-Magazin. „Ich lese ihn mir später durch“,
murmelte sie.
„Mama,
ich habe geschrieben, dass ich mir wünsche, dass wir ans Meer
fahren.“
„Mh.“
„Ich
möchte nach hause.“
„Mh.“
Ich
wusste, dass der Weihnachtsmann den Wunsch nicht erfüllen wird. Du
wusstest es auch, du standest mit deinem eigenen Zettel in der Tür
und beobachtetest diese Szene.
Traurig
lies ich meinen Wunsch fallen und trottete zu dir.
„Hey,
hebe deinen Müll sofort wieder auf“, brüllte meine Mutter. Und da
weinte ich.
Es war
das erste und letzte Mal, dass du mich weinen sehen hast. Du, mein
bester Freund, den ich schon seit dem Kindergarten kannte.
Du
hattest mich in den Arm genommen und gesagt, dass du mich irgendwann
ans Meer bringen wirst. Immer wieder hattest du das gesagt. Und du
warst immer der einzige gewesen, von dem ich ans Meer gebracht werden
wollte – Selbst als ich alt genug war, um alleine dort hin zu
reisen.
Und
zehn Jahre später, wieder kurz vor Weihnachten, verschwandest du und
noch einmal zehn Jahre später kamst du zurück, um dein Versprechen
zu halten.
„Warum
tust du das?“, fragte ich.
„Weil
ich es versprochen habe und ich all die Jahre nicht richtig leben
konnte, weil ich immer an dich denken musste. Ich hatte so ein
schlechtes Gewissen.“
„Warum
bist du gegangen?“
Du
hattest deine Finger plötzlich so fest um das Lenkrad gekrallt, dass
die Knöchel weiß hervor traten und ich die Befürchtung hatte, dass
sie deine Haut zerreißen würden, wenn du deinen Griff nicht
lockerst.
Ich
hätte gelacht, wenn es passiert wäre.
„Du
weißt es nicht?“ Deine Stimme klang seltsam. Ich sah zu deinem
Gesicht. Dunkle Schatten lagen unter deinen Augen.
Hier kommt ihr zu Teil 3.
Hier kommt ihr zu Teil 3.
So schön!
AntwortenLöschenDu machst genau an der richtigen Stelle Pausen - quälende Pausen, die mich aufregen, weil ich weiter lesen will!!!
Liebe Grüße > darkest.heart
Noch mal Danke =D
LöschenAn Weihnachten kommt das "Finale" =D
Liebe Grüße
Luisa
Die Geschichte ist richtig toll und ich will endlich weiterlesen :( :)
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Ellen
Danke =D
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